9. Die Kirmes
Die Kirmes war nicht groß, eine Kleinstadtkirmes. Ein halbes dutzend Fressbuden und ein Kinderkarussell, eines für die Jugend – „Flipper“ genannt, eine Schiffsschaukel, eine Geisterbahn, ein winziges Riesenrad, das nicht über die Häuser in der Nachbarschaft hinausragte, zudem eine Schießbude, ein Autoskooter und ein Wahrsagerzelt. Sie fuhren im „Flipper“, mit der Schiffsschaukel und verursachten Auffahrunfälle im Skooter. Ein paar andere Jungs hatten ebenso Spaß an einer Rempelaktion. Schließlich bekam Karsten ziemlichen Knast. Er musste mit etwas Mühe zu drei Bratwürsten überredet werden und genierte sich so viel auf einmal zu essen. Zu seiner Überraschung stellte er danach fest, dass er sogar noch Hunger hatte. Aber zum Glück gab es für ihn noch Reibekuchen, Crêpe und Waffeln. In der Geisterbahn, die ziemlich lahm war, tat Karsten so, als würde er sich ständig erschrecken, um sich unter diesem Vorwand in Torstens fettes Fleisch zu krallen. Es war so weich, warm und samtig. Er wusste keine bessere Ausrede als Torstens üppigen Körper unauffällig zu befingern. Er wollte sich so gerne an Torstens kuscheligen Leib anschmiegen. An der Schießbude gewann zwar Karsten einen riesigen Teddy, aber er fand in doch arg unhandlich und einen schlechten Ersatz. „Naja Schokolade wäre mir lieber gewesen.“ „Können sie auch haben, wie wäre es denn mit fünf Pralinenschachteln stattdessen?“ Bot der Schießbudenbesitzer an. Karsten willigte sofort ein. Es waren zwar Billigpralinen aber jede Schachtel 400 Gramm.
„Wie wäre es denn mit Wahrsagen? Das ist das einzige, was wir noch nicht gemacht haben, von dem Kinderkram abgesehen.“ „Ach nah, das ist doch Geldverschwendung.“ Entgegnete Torsten. „Ich will ja nur wissen, ob es unterhaltsam ist? Ich glaube nicht, dass irgendwas dran ist.“ Bettelte Karsten. Da sowieso noch anderthalb Stunden bis zur Busabfahrt Zeit war, ging man ins Zelt. Muffiger Räucherstäbchengeruch verschlug einem den Atem. „Kommt nurrr herrrein ihrrr strraaammen Jünglinge. Es ist eine weise Entscheidung iberrr eure Zukunft und euerr selbst etwas zu errrfahhren. Nein, ich beiße nicht, auch wenn ihrr zum Anbeißen ausseht.“ Sie wies auf zwei Stühle, die ihrem großen Lehnstuhl an einem kleinen Tisch gegenüberstanden. Darauf stand eine Glaskugel, die oben einen kleinen Trichter hatte. Die Frau hatte ein Dreifachkinn und war in so viele schleierartige Gewänder gehüllt, dass man nicht wusste wo ihr Körper und wo die Stofftücher waren. „Wir würden erst einmal wissen wollen, wie viel es kostet?“ Fragte Karsten. „Oh nurrr drrrei Eurrro prro Perrrson.“ „Naja das geht ja.“ Sagte Karsten und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Torsten zögerte. Karsten zahlte für beide. Sie pikste Karsten mit einem kleinen zangenartigen Gegenstand und schüttelte den entnommenen Blutstropfen gekonnt in den kleinen Trichter der Glaskugel. „Siehe, schau dein Schicksal!“ Karsten konnte weißliche Schlieren in der Glaskugel erkennen. Dann sah er eine fette Gans in einem engen Käfig. Ihr Hals steckte zwischen den Gitterstäben. Der Kopf war zu groß um ihn durch die Gitterstäbe zurückzuziehen. Im Schnabel steckte ein Schlauch mit Trichter eine raue, faltige Hand massierte gekonnt den Hals, so dass die Gans besser schlucken konnte. Der Trichter wurde mit einer fettglänzenden Masse befüllt eine andere Hand stopfte den Brei immer mit Druck durch den Trichter. Eine alte Frau – den Kleidern nach zu urteilen, mästete die Gans. Er hatte schon von Stopfgänsen gehört und gelesen. Dies musste so eine sein. Er fühlte regelrecht wie der Magen der Gans immer voller wurde. Er spürte das Völlegefühl, er glaubte fast, er sei ein Daunenkissen, das bald platzen würde, weil man immer mehr Füllung hineinstopfte. Ihm fiel das Atmen schwer, er bekam kaum Luft, weil der dickflüssige fettige Brei kaum das Atmen zuließ. Er wollte mehr. Karsten wusste, danach würde ihn nur noch ein Gefühl der Trägheit erfüllen und der wohlige Schmerz des vollgestopft sein. Dann sah er, dass es seine Oma war, die die Gans, nein ihn, welcher die Mastgans war, fütterte. Er wollte aber noch weiter gestopft werden, bis er das Gefühl hatte, dass seine Haut kurz davor war aufzuplatzen, aber dies würde sie nicht tun. Sie würde weich aufquellen. Er würde verfetten, schoss es ihm durch den Kopf. Bei Verfetten musste er plötzlich an Torsten denken. Der Anblick verschwamm und neue Schlieren formten ein neues Bild. Ein schlankes Fischlein schwamm ein sprudelndes Bächlein hinauf, bis es zu einer stilleren Stelle kam. Dort saß ein Angler. Dieser Angler war niemand anderes als Torsten, der den Campingstuhl mit seiner massigen Gestalt so überlastete, dass man sich fragte, wann dieser zusammenbrach. Der Fisch aß den Wurm um den Angelhaken herum ab. Torsten zog ihn raus und steckte einen neuen Wurm aus einer riesigen Dose an und warf wieder die Angel aus. Dies wiederholte sich mehrfach und Karsten bemerkte, wie der Fisch nicht mehr ganz so schlank war und er konnte sehen, wie der Fisch mit jedem Wurm immer dicker und dicker wurde. Schließlich ging Torsten ins Wasser und fing ganz einfach den trägen dicken Fisch mit der Hand. Und Karsten wusste, dass er der fettgefütterte Fisch war. Torsten steckte ihn in ein Goldfischglas, dass er offensichtlich dabeihatte. Nun stand er auf einem Nachttisch neben Torstens Bett. Da wurde ihm bewusst, dass er Torstens Zimmer im aktuellen Zustand noch gar nicht kannte. Der Fisch wurde von Torsten gekrault und mit Würmern immer fetter gefüttert. Der Körper wurde nicht länger, nur dicker und breiter, vor allem breiter. Er war bald etwas breiter als hoch. Er hatte auch unförmige Fettwülste. Sein Gesicht war mit Fett fast zugewachsen. Obwohl, wie gesagt, er nicht länger wurde, musste er bald in ein neues größeres Glas umgetopft werden, weil das alte bald zu klein war.
Karsten war ganz benommen. Zu jeder Regung kaum noch fähig. Als er wie aus einem Trance erwachte, schien er nur zu blinzeln. „Karsten was ist mit dir? Geht es dir gut?“ „Ach der wirrd sich schon wiederrr errholen.“ Sprach die Wahrsagerin und holte eine neue Glaskugel aus dem Schränkchen hervor. „Und jetzt zu ihnen.“ „Ich glaube ich verzichte, sie haben schon das Geld. Komm Karsten wir gehen und er rüttelte an Karstens Schulter. Der machte keine Anstalten zu gehen. „Iihrrr Frreund hat es auch getan. Es ist nurrr ein kleiineerr Piks. Es tuut nicht weeh.“ „Es ist schon ok, ich weiß nur nicht was es bedeutet.“ Torsten setzte sich wieder. Er sagte sich: ‚Wenn es Karsten durchlitten hat, muss ich auch mit ihm leiden. Wir sind ja Freunde.' Er reichte der Frau wildentschlossen seinen Finger.
Die Glaskugel bildete Schlieren. Torsten sah eine Spur von Plätzchen, Muffins und anderen Leckereien, die er alle aufaß bis zu der alten Frau Lehmann – Karstens Oma – ihr Haus. Als er reinging, war das Innere wie ein Stallgebäude. Karstens Oma wies freundlich auf einen Tisch mit Stuhl. Dort war ein riesiger Schweinebraten aufgetafelt. Sein Ebenbild aß gierig den Schweinebraten. Als er ihn in null Komma nix verschlungen hatte, kam plötzlich eine schöne blonde Fee mit neckischem Hütchen, auf dem Lottofee stand, hereingeschwebt. Sie berührte Torsten mit einem Zauberstab, goldene Funken sprangen dabei heraus. Und plötzlich floppte ein Ringelschwänzchen aus dem dicken Arsch seines Ebenbildes. Schweinsöhrchen wuchsen ihm und eine Rüsselschnauze. Vor Torstens Augen verwandelte er sich selbst, zu seinem Entsetzen, in ein riesiges Schwein. Hände packten ihn und sperrten ihn in eine enge Stallbox. Sein Hals wurde zwischen Gitterstäben eingeklemmt, so dass sein Kopf in eine Futterrinne ragte. Dann ergoss sich ein zäher Mastbrei in die Rinne. Er musste fressen, damit er atmen konnte. Dies spürte Torsten ganz deutlich. Und das Schwein wurde sichtlich immer fetter und fetter und Torsten liebte es nur fressen und faul zu sein. Dann webten die weißen Schlieren ein anderes Bild. Torsten lag jetzt in einem goldenen Käfig. Er war eindeutig fetter als in der Realität. Das Fett seines Körpers quoll zwischen den Gitterstäben des engen Käfigs heraus. Auf seinen schwabbeligen Fettmassen saß Karsten mit im Käfig und fütterte ihn mit Leckereien. Nein, dachte Torsten. ‚Karsten soll doch auch fett werden, möglichst fetter als ich selbst. Ich liebe doch zu sehen, wie er durch das Essen seiner Oma aufgeht wie Kuchenteig!' „Ähm vielen Dank gute Frau.“ Er hatte zwar eine Menge Fragen, aber die wollte er nicht in Gegenwart Karstens stellen.
Karsten hatte angefangen das Essen in allen Buden auszuprobieren. ‚Man, der frisst sich wirklich dick.' Dachte sich Torsten. „Boah bin ich voll.“ stöhnte Karsten. Dies hinderte ihn aber nicht während der Rückfahrt im Bus eine Schachtel Pralinen aufzufuttern.
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Fortsetzung folgt.
Gute Story kommt da noch was?
AntwortenLöschenGute Story kommt da noch was?
AntwortenLöschenJa sicher! Ich habe die Geschichte in den letzten zwei Jahren nach und nach bei Deviantart veröffentlicht. Deswegen habe ich alles hier gleich veröffentlich weil es ohnehin schon online war. Ich habe in der Vergangenheit immer wieder aller paar Monate einen Teil geschrieben. Ich werde aber zuvor andere Stories veröffentlichen, bevor es hier weitergeht.
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